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Banque Raiffeisen und ESG-Strategie: Ein Wendepunkt in der Kontinuität

Bei Banque Raiffeisen verharrt man nicht gerne auf halbem Wege. Dies ergibt sich aus dem Interview mit Jacques Hoffmann, der bei Raiffeisen seit Kurzem die neue Funktion eines „Head of ESG - Environment, Social, Governance“ innehat. 

Bei Banque Raiffeisen verharrt man nicht gerne auf halbem Wege. Dies ergibt sich aus dem Interview mit Jacques Hoffmann, der bei Raiffeisen seit Kurzem die neue Funktion eines „Head of ESG - Environment, Social, Governance“ innehat. Seine Mission besteht darin, die bereits bestehenden ehrgeizigen ESG-Ziele der führenden genossenschaftlichen Finanzgruppe Luxemburgs zu institutionalisieren. Eine Begegnung.

 

Nach dem Start des ersten Nachhaltigkeitsberichts für Banque Raiffeisen im Jahr 2021 wurde der Posten eines Head of ESG ins Leben gerufen. Aus welchen Gründen hat sich Raiffeisen für die Schaffung einer solchen Funktion entschieden?

Zunächst einmal sollte man sich immer vor Augen halten, dass Banque Raiffeisen eine Genossenschaftsbank ist und sich daher seit 1925 verpflichtet sieht, im alleinigen Interesse ihrer Kunden, Partner und Mitglieder im Sinne der genossenschaftlichen Werte zu agieren. Die ESG-Grundlagen waren also durchaus bereits vorhanden.

Wir erachteten es für wichtig, genau hierauf aufzubauen und beschlossen, uns im Bereich der Nachhaltigkeit noch stärker aufzustellen. Dabei sollte man dieses Vorhaben eher als Marathon denn als Sprint betrachten, weil die Umsetzung von ESG in einer Bank ein schrittweiser Prozess ist. Die Schaffung der Funktion eines Head of ESG nach der Unterzeichnung des UNEP FI PRB im Jahr 2019 und nach der Veröffentlichung unseres ersten Nachhaltigkeitsberichts Anfang 2021 war der nächste Schritt in diese Richtung.

Die weiteren Schritte? Sie bestehen darin, sich mit einer Strategie sowie Instrumenten auszustatten, die es uns erlauben, die nachhaltige Entwicklung zu bewerten und in unsere gesamte Aktivitätspalette zu integrieren. Gegenwärtig befinden wir uns demnach in einem Zwischenstadium.

Wie definiert sich die Funktion „Head of ESG“?

Angestrebt war, eine echte funktionsübergreifende ESG-Strategie einzuführen, welche die Geschäftsbereiche, Produkte und Dienstleistungen der Bank umfasst.

Die Funktion an sich soll die Entwicklung von Banque Raiffeisen in Bezug auf ESG-Themen unterstützen, damit Nachhaltigkeit zum Leitmotiv für jede Tätigkeit innerhalb der Bank wird und unseren Mitarbeitern sozusagen in Fleisch und Blut übergeht.

Konkret umgesetzt bedeutet dies, die verschiedenen Abteilungen auf ESG-Herausforderungen aufmerksam zu machen, sie bei der Umsetzung von Maßnahmen zu unterstützen, die Ergebnisse zu überwachen und wann immer nötig Verbesserungsvorschläge zu machen. In diesem Sinne nimmt der Head of ESG eine partizipative und gemeinschaftsfördernde Rolle ein.

Sie sind seit mehr als drei Jahren für Banque Raiffeisen tätig. Wie übernehmen Sie die Rolle des „Mr. ESG“ des Unternehmens?

In gewisser Weise war ich bereits dieser „Mr. ESG“, weil meine Kollegen und Vorgesetzten mich als solchen sahen, dies aber eher auf inoffizieller Basis; jetzt ist es offiziell. Ich persönlich sehe diese Mission als die eines Change Managers.

Die Aufgaben sind beträchtlich, da sie über den Rahmen von Banque Raiffeisen hinausgehen und sämtliche Interessengruppen einbeziehen, die für eine beträchtliche Anzahl von Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert werden müssen (z. B. Risiken im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung, der Kreislaufwirtschaft usw.).

Wie sah Ihr bisheriger beruflicher Werdegang aus?

Nach Abschluss meines Managementstudiums an der ICHEC in Brüssel war ich an der Luxemburger Börse tätig, wo ich verschiedene Positionen innehatte, die es mir ermöglichten, mich mit Nachhaltigkeitsthemen auf den Kapitalmärkten vertraut zu machen, unter anderem durch islamisches Finanzwesen und die Luxembourg Green Exchange (LGX).

Als ich vor mehr als drei Jahren zur Marketingabteilung der Banque Raiffeisen stieß, war ich sehr erfreut darüber, dass meine künftigen Aufgaben auch mit Fragen der Nachhaltigkeit zu tun haben würden.

Seit seiner Gründung im Jahr 2019 koordiniere und leite ich den ESG-Lenkungsausschuss. Und erst kürzlich, im September, wurde ich zum Head of ESG ernannt.

Wie sieht die ESG-Strategie von Banque Raiffeisen im Detail aus?

Sie steht im Einklang mit den sieben Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die in unsere ESG-Strategie eingeflossen sind, nämlich (4) qualitativ hochwertige Bildung, (5) Gleichstellung der Geschlechter, (8) menschenwürdige Arbeit und wirtschaftliches Wachstum, (9) Industrie, Innovation und Infrastruktur, (12) Verantwortungsbewusstsein in Konsum und Produktion, (13) Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und (17) Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Wir haben uns ehrgeizige nachhaltige Ziele gesetzt, die sich aus unseren vorrangigen und sekundären Themen ergeben, welche wir gemeinsam mit unseren Partnern festgelegt haben. Diese Ziele stehen voll in Einklang mit dem Geschäftsmodell der Bank.

Wir sind unablässig bestrebt, eine innovative Bank zu sein, indem wir unseren Kunden eine breite Palette an nachhaltigen Produkten anbieten.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur die Anfang 2021 eingeführten nachhaltigen Visa-Kreditkarten erwähnen, mit denen wir uns im Schulterschluss mit unseren Kunden für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzen. In der Praxis finanzieren wir die Anpflanzung von Bäumen in Luxemburg und Bangladesch, indem alle 200 Transaktionen, die von Inhabern dieser Karten getätigt werden, zur Anpflanzung eines Baumes führen.

Eine weitere wichtige Dienstleistung von Banque Raiffeisen ist der „R-Eco89io-Privatkredit“, der es ermöglicht, umweltfreundliche persönliche Projekte zu finanzieren, wie zum Beispiel den Kauf eines neuen umweltfreundlichen Autos oder die energetische Renovierung des Eigenheims.

Darüber hinaus haben wir im Laufe des Jahres 2020 das Angebot an ESG-Investitionen komplettiert. So bietet Raiffeisen ihren Kunden Lösungen mit ESG-Ansatz an, um ihnen die Möglichkeit zu geben, in nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu investieren und so dazu beizutragen, die Erreichung der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen unterstützen.

Was sind die kommenden Herausforderungen in punkto Nachhaltigkeit im Finanzsektor und wie werden sie von Banque Raiffeisen angegangen?

Trotz der bereits sehr starken Regulierung im Bankensektor muss man davon ausgehen, dass die europäischen Nachhaltigkeitsvorgaben in Zukunft nicht weniger werden. Für eine Bank unserer Größe sind demnach massive Anstrengungen zur Anpassung und vor allem zur Voraussicht geboten.

Andererseits möchte ich aber unterstreichen, dass wir die Vorteile einer Struktur von menschlicher Größe haben, als da wären die Beweglichkeit und die Nähe zum Direktorium - Faktoren, die es uns ermöglichen, schnell voranzukommen. In dieser Hinsicht hat es uns zum Beispiel die Unterzeichnung der UNEP FI Principles for Responsible Banking im Jahr 2019 ermöglicht, in vielen Bereichen, wie beispielsweise im Reporting, proaktiv zu sein.

Ich glaube, dass wir uns im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern nicht zu verstecken brauchen und dass es dem Nachhaltigkeitsbericht, den wir dieses Jahr zum ersten Mal erstellt haben, nicht an Ehrgeiz ermangelt. Dieser Bericht wurde von den Mitgliedern des ESG-Lenkungsausschusses in Zusammenarbeit mit einem externen Berater, einem Experten auf diesem Gebiet, erstellt. Der Report wurde nach den höchsten Standards in Bezug auf die ESG-Berichterstattung (insbesondere ISO 26000 und GRI) erstellt und ist daher das perfekte Beispiel für die von mir erwähnte funktionsübergreifende Arbeit. Es wurden sämtliche Themen, Fakten und Zahlen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit aufgelistet, erörtert, analysiert und dann getreu im Bericht wiedergegeben, der somit für eine echte Übung in Transparenz steht.

In eben dieser Richtung müssen wir unsere Bemühungen fortsetzen und somit ein Vorbild in Proaktivität und nicht in Reaktivität sein. Es wird sicherlich noch zahlreiche Herausforderungen und Chancen geben - wir bei Banque Raiffeisen werden sie ausnahmslos mit Entschlossenheit, Ernsthaftigkeit und Gelassenheit anzupacken wissen!